Problemstellung und Forschungsziele
Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts lässt sich ein verstärktes Engagement der Europäischen Union (EU) als Mediatorin in Friedensverhandlungen in einer Reihe von zwischen- und innerstaatlichen Konflikten beobachten. Trotz dieses empirischen Trends ist die Rolle der EU als Mediatorin in der wissenschaftlichen Literatur bisher kaum erforscht. Ausgehend von dieser Tatsache verfolgt das Forschungsprojekt daher folgende drei Forschungsziele. Erstens möchte es zu einem besseren Verständnis beitragen, inwiefern und in welchen unterschiedlichen Ausprägungen die EU als Mediatorin in Friedensverhandlungen engagiert ist. Zweitens soll untersucht werden, in welchem Ausmaß die EU eine effektive Mediatorin darstellt. Drittens sollen unterschiedliche Ausprägungen der Effektivität der EU plausibel theoretisch erklärt werden. Während das erste Forschungsziel also vor allem einer ersten empirischen Bestandsaufnahme dient, stellen das zweite und dritte Forschungsziel den primären analytischen Fokus dieses Forschungsprojekts dar.
Originalität und wissenschaftliche Relevanz
Angesichts des großen Potenzials von Mediation als Instrument des internationalen Konfliktmanagements im Allgemeinen und im Besonderen der steigenden Bedeutung der EU in diesem Feld, beleuchtet das Forschungsprojekt ein Thema, das von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist. Gleichzeitig möchte das Projekt auch einen wichtigen theoretischen und empirischen Beitrag zur Friedens- und Konfliktforschung leisten. In empirischer Hinsicht zielt es darauf ab, zu einem besseren und fundierterem Verständnis von Friedensbemühungen der EU beizutragen. Im Rahmen eines Sammelbandes/ Sonderheft einer Fachzeitschrift, welcher/s die erste umfassende wissenschaftliche Publikation zu diesem Thema darstellen wird, soll das Engagement der EU im Bereich Mediation in seiner gesamten Breite systematisch nachgezeichnet werden. Des Weiteren wird eine vergleichende Analyse von zwei Fällen von EU-Mediation Aufschluss über die Frage geben, zu welchem Grad die EU eine effektive Mediatorin darstellt und welche Faktoren als kausal ursächlich für ihre Effektivität identifiziert werden können. In theoretischer Hinsicht liefert das Forschungsprojekt einen ersten umfassenden Analyserahmen für die Bewertung und Erklärung der Effektivität der EU als Mediatorin. Durch die Spezifizierung kausaler Mechanismen und deren Überprüfung mit Hilfe einer "dualen Prozessanalyse" ("dual process-tracing approach") soll zu einer Weiterentwicklung bestehender Erklärungsansätze in der Mediationsforschung beigetragen werden. Zudem zielt das Projekt darauf ab, zwei unterschiedliche Forschungsstränge der Internationalen Beziehungen, die bisher nur selten aufeinander bezogen wurden, näher zusammenzubringen: die Friedens- und Konfliktforschung mit der Forschung zur EU-Außenpolitik.
Analyserahmen und Forschungsdesign
Aufbauend auf einer Synopse der Literatur zur EU-Außenpolitik und der Forschung zu internationaler Mediation wird ein Analyserahmen für die Untersuchung der Effektivität der EU als Mediatorin in Friedensverhandlungen entwickelt. Hier greifen wir auf die Ergebnisse einer Pilotstudie zurück, in denen die wesentlichen Bausteine des Analyserahmens bereits identifiziert und einer ersten empirischen Überprüfung unterzogen wurden. Der Analyserahmen wird dann auf zwei Fälle von EU-Mediation angewandt: (i) die Verhandlungen zwischen Serbien und Montenegro (2001-2002) über die Bildung eines Staatenbundes und (ii) der Belgrad-Pristina-Dialog zwischen Serbien und Kosovo (2011-).
Das Forschungsdesign des Projektes basiert auf einem Methodenmix. Die vergleichende Analyse von zwei Fällen von EU-Mediation wird durch eine Prozessanalyse ("process tracing") implementiert. Dabei wird auf unterschiedliche Datenquellen zurückgegriffen, die durch semi-strukturierte Interviews, einen Expertensurvey, und Analyse von Primärquellen generiert werden.
Praxisrelevanz und Projektpublikationen
Ein zentrales Ziel des Forschungsprojekts ist die Generierung von praxisrelevantem Wissen, welches auch als Grundlage zur Etablierung eines Dialogs mit entsprechenden politischen Akteuren dienen soll. Die Ergebnisse unseres Forschungsprojekts sollen dazu verwendet werden, Lehren aus den analysierten Fällen von EU-Mediation zu ziehen und auf deren Basis in einem Strategiepapier präzise Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der Fähigkeiten der EU im Bereich Mediation zu entwickeln.
Die Forschungsergebnisse unseres Projektes werden wir unter anderem in folgenden Projektpublikationen für die breite wissenschaftliche Community zugänglich machen: Sammelband/ Sonderheft einer Fachzeitschrift zu “The European Union's Involvement in International Mediation Efforts: Motives, Roles and Strategies”, Artikel in einer internationalen Fachzeitschrift zum Vergleich der Effektivität der EU in den zwei Fallstudien, ein Strategiepapier, das Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger und Experten im Bereich Mediation entwickelt sowie ein Artikel, der das Thema einer breiteren Öffentlichkeit vorstellt.